„Folgen von Covid-19 für Schulkinder im Südsudan“

Ein alarmierender Bericht von Pfarrer Peter Mwale aus Narus im Südsudan (2021)

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Folgen von Covid-19 für Schulkinder im Südsudan: Einige der Mädchen, die in der Bakhita Girls Primary School untergebracht wurden, weil sie während der Covid-19-Pandemie von Zwangs- und Frühheirat bedroht sind

Ende Dezember 2019 und Anfang 2020, als das Coronavirus in China ausbrach, schien alles sehr weit weg. Niemand ahnte damals, dass das Problem eines Tages den Rest der Welt betreffen würde.  Im Februar 2020 begann die Zahl der Covid-19-Fälle in anderen Ländern rasant zu steigen – auch in unserem Nachbarland Kenia. Die Folgen von Covid-19 für Schulkinder waren nun auch im Südsudan zu spüren.

Die südsudanesische Regierung wies uns an, alle unsere Schulen in Narus zu schließen. Auch mussten wir alle öffentlichen kirchlichen Aktivitäten aussetzen, bei denen sich Menschen versammeln. Dadurch sollte die Ausbreitung des Virus in unserer Region eingedämmt werden.

Als wir unsere Schulen schlossen, dachten wir zunächst, dass sich die Situation verbessern würde. Aber sie verschlechterte sich und das hält bis zum heutigen Tag an. Immer mehr Fälle von Covid-19 wurden auch im Südsudan registriert, insbesondere in der Hauptstadt Juba.

Isolation und Hunger

Wir in Narus hatten keine Testkits und so leiteten wir unsere Mitarbeiter an, alle vorgeschriebenen Maßnahmen gegen Covid-19 zu ergreifen. Wir mussten in unserer Gemeinde starke Einschränkungen des sozialen Lebens hinnehmen, was unsere Schulkinder besonders hart traf.

Die Covid-19-Pandemie zeigte sich deutlich in der Unsicherheit und Hoffnungslosigkeit der meisten Eltern und Schüler unserer Schulen, denn es war unklar, wie lange die Isolation und der Hunger anhalten würden. Viele Kinder haben aufgrund ihrer bisherigen Kriegs- und Vertreibungsgeschichte kein richtiges Zuhause. So ist die Schule für die meisten von ihnen nicht nur ein Ort der Bildung sondern auch der Zuflucht.

Extreme Herausforderungen

Die Schule bringt Struktur und Ordnung in das Leben der Kinder. So lange zu Hause zu verbringen, war eine Herausforderung für die Schüler. Sie mussten Wege finden, ihre Zeit sinnvoll zu verbringen. Und für die Eltern war es sehr problematisch, ihre Kinder zu ernähren. Als Pfarrei versuchten wir, manchen Lebensmittelspenden zukommen zu lassen. Doch das war nicht bei allen möglich.

Die andere Auswirkung von Covid-19 auf unsere Schulkinder, insbesondere auf die Mädchen, war die Zunahme von Früh- und Zwangsheiraten, was hauptsächlich das Toposa-Hirtenvolk betraf. Aufgrund von Armut und Hunger in den Dörfern zwangen einige Eltern ihre Kinder zu heiraten, damit sie Tiere als Brautgeld für ihr eigenes Überleben bekommen konnten. Wir nahmen eine größere Zahl von Mädchen in der Grundschule auf und sorgten für sie.

Befreiung aus Zwangslagen

Die Mädchen waren zu uns geflüchtet, damit wir sie aus dieser Zwangslage befreiten. Wir haben mit der Polizei und dem Bezirksamt für Bildung zusammengearbeitet, um gegen diese Zwangsbehandlung vorzugehen und diese jungen Mädchen zu beschützen.

Unserer Pfarrei war es auch gelungen, eine Sensibilisierungskampagne in einem der Dörfer zu starten, das ein Brennpunkt für Zwangs- und Frühverheiratungen von Mädchen ist. Dies betraf auch einige Schülerinnen der Bakhita Girls Primary und der Secondary School. Sie bereiteten sich Ende 2019 gerade auf Prüfungen vor. 

Teenager-Schwangerschaften

Eine weitere Auswirkung von Covid-19 auf unsere Schulkinder ist das Problem der Teenager-Schwangerschaften. Das liegt am langen Aufenthalt zuhause und an der unzureichenden elterlichen Betreuung.

Die Zeit der Abwesenheit von der Schule und der Mangel an elterlicher Betreuung führte bei einigen Mädchen zur Teenager-Schwangerschaft. Wenn wir die Schule nächsten Monat wieder öffnen, wird sich eine größere Anzahl von Mädchen aufgrund von Schwangerschaften nicht mehr in der Schule rückmelden.

Eine Maßnahme, mit der wir dem begegnen, ist ein Tagesworkshop für alle Mädchen, den unsere Pfarrei organisiert hat. Einige der Schwestern und andere Frauen in der Pfarrei sprachen mit den Mädchen darüber, wie sie in dieser schwierigen Zeit gut auf sich selbst aufpassen können.

In einem Workshop konnten sich Schülerinnen über die Gefahren von Früh- und Teenager-Schwangerschaften informieren
Folgen von Covid-19 für Schulkinder im Südsudan: In einem Workshop konnten sich Schülerinnen über die Gefahren von Früh- und Teenager-Schwangerschaften informieren

Missbrauch von Alkohol und Drogen in den Dörfern

Und schließlich wirkt sich Covid-19 auch innerhalb der Gemeinschaft auf unsere Kinder aus. Es kommt etwa zu vermehrtem Missbrauch von Alkohol und Drogen und das betrifft vor allem die Jungen. Die meisten von ihnen haben nichts zu tun und kommen aufgrund von Gruppenzwang und durch Jugendliche in schlechte Gesellschaft.

Auch in der Gemeinde wird viel Alkoholisches gebraut, es ist billig und leicht zugänglich.  Wir als Pfarrei haben uns an die lokale Regierung gewandt, um strenge Maßnahmen gegen das illegale Brauen vor Ort und die Durchsetzung der Altersgrenze zu erreichen.

Schließlich hoffen wir, dass die Wiedereröffnung der Schulen dazu beiträgt, die Situation zu verbessern. Und dass wir so die Auswirkungen von Covid-19 auf unsere Schulkinder und die Gemeinschaft überwinden.

Text: Father Peter Mwale, Pfarrgemeinde Narus, Südsudan.

Übersetzung: Gabriele Haldenwang und Ulrich Mannsbart

Fotos: Initiative Pater Stephan e.V.

Folgen von Covid-19 für Schulkinder im Südsudan: Auf einem Plakat wirbt eine Schülerin dafür, dass junge Mädchen Bildung erhalten sollen, anstatt wegen des Brautpreises in Frühehen gepresst zu werden.
Folgen von Covid-19 für Schulkinder im Südsudan: Auf einem Plakat wirbt eine Schülerin dafür, dass junge Mädchen Bildung erhalten sollen, anstatt wegen des Brautpreises in Frühehen gepresst zu werden.

 

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