Südsudan: Heftige Kämpfe in Twic County und Abyei (1)

Tödliche Kämpfe um Landbesitz lösen eine Flüchtlingswelle aus. Dahinter stehen tiefgründige sozioökonomische Probleme und eine Vernachlässigung der Jugend

Am 10. Februar 2022 brachen in und um den Ort Agok Kämpfe zwischen zwischen zwei Dinka-Stämmen aus (Ngok-Dinka und Twic-Dinka. Am 18 Februar wurde bereits von 25 Toten und vielen Verletzten berichtet, darunter auch Mitarbeiter einer lokalen Hilfsorganisation. Anlass für die tödlichen Konflikte sind offenbar Streitigkeiten um Landbesitz, die vor allem von jungen Leuten ausgetragen werden.

Zerstörtes Geschäftsgelände in Agok
Zerstörtes Geschäftsgelände in Agok

Kämpfe um Landbesitz und viele Flüchtlinge

70.000 Menschen sollen vertrieben worden sein, ihre Häuser zerstört, ihr Besitz vernichtet oder gestohlen. Außerdem haben die Angreifer acht Menschen entführt, darunter drei Jungen und drei Mädchen. Ein Großteil der Bewohner von Agok sind aus dem Ort geflohen, da hier der Brennpunkt der Auseinandersetzungen lag. Dies geht aus einem Bericht der United Nations Interim Security Force for Abyei (Friedensmission der Vereinten Nationen) und einiger ihrer regionalen Partner hervor.

Zerstörtes Gebäude von Mitarbeitern der Hilfsorganisation BGRRF (Bischop Gassis Relief and Rescue Foundation
Zerstörtes Gebäude von Mitarbeitern dder Hilfsorganisation BGRRF (Bischop Gassis Relief and Rescue Foundation

Die Hilfsorganisation BGRRF (Bishop Gassis Relief and Rescue Foundation) mit der auch die Initiative Pater Stephan e.V. vor Ort zusammenarbeitet, hat festgestellt, dass die Kämpfe viele Schulkinder stark traumatisiert haben. Insgesamt berichteten lokale Mitarbeiter von BGRRF Wasser- und Lebensmittelknappheit sowie ausreichenden Schutz als dringendste Bedürfnisse der Bevölkerung.

Schüler, die ihr Examen in Abyei ablegen, nachdem sie aus Agok wegen der Kämpfe evakuiert worden sind
Schüler, die ihr Examen in Abyei ablegen, nachdem sie aus Agok wegen der Kämpfe evakuiert worden sind

Pläne für schnelle Hilfe…

Die UN und einige Partnerorganisationen, darunter BGRRF, beraten über schnelle Hilfsaktionen für die betroffene Bevölkerung. So plant BGRRF die Verteilung von Lebensmittel und Saatgut sowie das Ausheben von zwei Brunnen. Die Verteilung der Lebensmittel wirft keinerlei Probleme auf, aber das Gebiet, in denen die Brunnen gebohrt werden sollen, sind nicht sicher.

…und Probleme bei der Umsetzung

Deshalb wird laut BGRRF jede Unternehmung mit Vertretern der südsudanesischen Regierung und anderen lokalen Partnern abgesprochen.

Abgesehen von der prekären Sicherheitslage müssen sich die Helfer auch mit steigenden Preisen für Güter auseinandersetzten, da alle Märkte im Krisengebiet geschlossen sind. Der Markt von Amiet ist sogar völlig zerstört worden und so fehlen manche Güter in anderen Märkten.

Entscheidend für mögliche Lösungen zum Entschärfen der Krise werden wohl die Ergebnisse und Folgen eines Treffens von UN-Vertretern sowie regionalen und lokalen Hilfsorganisationen am 24.02.2022 sein. Dabei soll über schnelle Hilfe für die betroffene Bevölkerung beraten werden.

Hintergrund der Kämpfe um Landbesitz

Das unabhängige südsudanesische Forschungsinstitut Sudd macht eine verfehlte sozioökonomische Entwicklungspolitik als eigentliche Ursache der tief verwurzelten intraregionalen Spannungen aus, die sich in Kämpfen um Landbesitz zeigen. Dies betrifft sowohl die südsudanesischen Regierung als  auch lokale Politiker  Zwar schienen Streitigkeiten um Landbesitz offensichtliche Ursache der Konflikte zu sein. So würden z.B. einige Politiker die kommunalen Konflikte um Landbesitz durch Presse-Verlautbarungen anheizen, in denen sie Gewalt schüren. Es geht auch darum, wer von den lokalen und regionalen Behörden das Sagen hat, wenn es um den lokalen Markt und die Erträge geht.

Armut und Perspektivlosigkeit als zentrales Übel

Vor allem aber verweist das Sudd-Institut auch die allgegenwärtige Armut: „Armut macht Menschen wütend.“ Und es verweist dabei vor allem auf die Jugend: „Wir haben die Jugendlichen vernachlässigt, die die den Großteil unserer Bevölkerung ausmachen. Solange diese Jugendlichen sich und ihre Familien nicht ernähren, bilden und heilen können, solange sie ihre Fähigkeiten nicht entwickeln und ihren Leidenschaften nicht nachgehen können, solange wird der Südsudan instabil bleiben. Wenn unsere politischen Führer nicht die Bedingungen für größeren Wohlstand in den ländlichen Gebieten schaffen, indem sie das Vermögen unseres Landes in die Menschen investieren, solange wird sich unsere Jugend kriminellen Aktivitäten zuwenden und anfällig bleiben für politisch motivierte Gewalt.“

 

Quellen: Sudd Insitute (South Sudan)

Billy A. Ombisa, Programme Manager, South Sudan

 

 

 

 

 

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